Simulationen sind aus der Entwicklung von Kunststoffbauteilen nicht wegzudenken. Durch Praxistests werden sie optimiert. Technology & Innovation (T&I) trägt in einem Projekt entscheidend zur Verfeinerung eines Freudenberg-internen digitalen Simulationstools in der Thermoplast-Entwicklung bei. Der Werkzeugbau in Laudenbach spielt dabei eine wichtige Rolle.
Kunststoff ist im Kommen. Der bereits seit Jahren festzustellende Trend zum Leichtbau wird durch die Elektromobilität weiter verstärkt. Weniger Gewicht durch leichte Thermoplast-Komponenten, die schwere Bauteile aus Metall ersetzen, erhöht die Reichweite von Fahrzeugen. Komplexe Kunststoffteile sind zudem in der Lage, mehrere Funktionen in sich zu vereinen. Oft dienen sie als Gehäuse, gleichzeitig dichten sie, schirmen elektronisch ab oder erfassen Messwerte durch integrierte Sensoren. Insbesondere bei hohen Stückzahlen sind sie auch wirtschaftlich attraktiv.
Mit einem eigenen Kunststoff-Labor hat T&I vor wenigen Jahren die Kompetenz von Freudenberg Sealing Technologies (FST) in der Entwicklung neuer Lösungen aus Kunststoff gestärkt. Herzstück ist ein moderner Spritzgussvollautomat zur seriennahen Herstellung von Mustern und Probenkörpern. Dessen Besonderheit ist ein von FST entwickeltes Werkzeug-Stammform-Konzept. „Wir müssen nicht für jeden neuen Probenkörper aufwendig ein komplettes Werkzeug fertigen. Die Stammform bleibt stets dieselbe, nur der Formeinsatz variiert, das heißt wir verändern lediglich die bauteil-spezifischen Kavitäten. Auf diese Weise beschleunigen und vergünstigen wir Werkzeugkonstruktion und -bau und somit den gesamten Entwicklungsprozess“, erklärt Matthias Hauer, Spezialist für Kunststoffverarbeitung bei T&I.

Die Lebensdauervorhersagen
Im konkreten Fall heißt der in 150-facher Ausfertigung hergestellte Probenkörper Multiload Test Specimen. Seine Besonderheit: Er ist nicht in einem Kundenprojekt entstanden, sondern dient einzig internen Zwecken. Auftraggeber war in einem mehrere Freudenberg-Geschäftsgruppen übergreifenden „Common Project“ Freudenberg Technology Innovation (FTI). Über allem steht dabei das Ziel: FST möchte bei Thermoplasten das gleiche Know-how aufbauen und genauso komplexe Bauteile entwickeln, wie seit Jahrzehnten mit Elastomeren.
Ein entscheidender Faktor bei der Entwicklung und Auslegung von Kunststoffteilen sind digitale Simulationen, insbesondere zur Festigkeit und Dauerhaltbarkeit. „Man braucht ein digitales Tool, um seine Werkstoffe im Bauteil zu simulieren“, erklärt Hauer. Mit dem Ziel einer verlässlichen Vorhersage der Gebrauchslebensdauer. Je ausgereifter und präziser ein Simulationsmodell ist – in diesem Fall kommt die Finite-Elemente-Methode (FEM) zum Einsatz –, desto verlässlicher lässt sich die voraussichtliche Lebensdauer berechnen.
Die von T&I sowohl entwickelten als auch gefertigten 150 Multiload Test Specimen dienen einzig dem Zweck, das Freudenberg-Simulationsmodell einem Realitätscheck zu unterziehen. „Wie ein Sparringspartner dienen die Teile der Verifikation der simulativen Vorhersagen“, formuliert es Hauer. Die Probenkörper werden gezogen, gebogen, gedrückt, verdreht, mal statisch getestet, mal dynamisch an- und abschwellend zum Schwingen gebracht. „Die in den Versuchen praktisch ermittelten Materialeigenschaften, Mess- und Kennwerte fließen dann wieder in das Simulationsmodell ein, um dieses zu optimieren. Das ist wertvolle Grundlagenentwicklung. Wir brauchen solche aussagekräftigen Simulationsmodelle bei uns im Haus, um Bauteile mit eigenentwickelten neuen Werkstoffen auslegen und uns neue Produktgruppen und Anwendungsfelder erschließen zu können.“

Der Probenkörper „Multiload Test Specimen“ (rechts) ist aus dem in Laudenbach gefertigten Werkzeug entstanden.
Den gesamten Produktentstehungszyklus abbilden
Hauer schneidet damit einen großen Pluspunkt von T&I in solchen internen wie auch in Kundenprojekten an: „In der Entwicklung von Kunststoffteilen bilden wir den gesamten Produktentstehungszyklus von der Idee bis zum werkzeugfallenden Teil komplett bei uns ab. Unsere Kompetenzfelder Materialtechnologie, Produktentwicklung sowie Produktions- und Prozesstechnik umfassen die gesamte Wertschöpfungskette.“
Dazu zählt in der Werkzeugkonstruktion die Kooperation mit dem FNGP Regional Office in Malaysia (MRO), dessen Mitarbeitenden mit dem Stammformkonzept des Spritzgussvollautomaten von T&I vertraut sind. Zu den Trümpfen von T&I in der Entwicklung von Kunststoffteilen zählt darüber hinaus der eigene Werkzeugbau. „Die Teile-Geometrie des Multiload Test Specimen aus Taschen und Rippen ist komplex, dementsprechend herausfordernd gestaltet sich das Werkzeug. Seine Herstellung erforderte eine ganze Bandbreite mechanischer Bearbeitungsverfahren. Umso bemerkenswerter ist, dass es auf Anhieb funktioniert hat: Schon die allerersten Probenkörper waren problemlos entformbar. Die Kollegen in Laudenbach haben echt tolle Arbeit geleistet“, lobt Hauer.